Freitag, 23. April 2010

Hellas funkt SOS

11. April
Eben habe ich griechischen Spargel geschält. Unseren ersten. Spargel für die Armen. Ich habe nicht gesagt: für die Elenden.
Und Ouzo liegt auch immer bereit: ein Schluck vor dem Essen. Griechische Medizinen. Und griechische Musik, steinig heiße Strände mit kühlenden Tamarisken und eine einfach betonierte griechische Terrassen am Strand, zumindest theoretisch, immer in Reichweite. Bauernsalat wird wöchentlich geübt.
Und Solon, Hesiod, Homer, Heraklit, Aischylos, Sokrates, die unsterblichen Toten … die sich unbemerkt bei jedem in Muße seiner Arbeit nachgehenden Griechen einstellen – original und in jüdischer Vergärung – olympisch und christlich – aber nicht nur dort, sondern an jedem Ort auf der Welt, wo sie im Geist dabei helfen, wenn wir uns in der göttlichen Kunst der Menschwerdung üben:
„der Mensch aber ist ein Gott, wenn er Mensch ist“
sagt Hölderlin wie andere ähnlich vor ihm,
Ich, … schulde den Griechen, den heutigen Griechen - viel mehr - als sie mir je schulden könnten, denn sie leben unter der griechischen Sonne in Anwesenheit ihrer unsterblichen Toten, die uns zu Vätern des Sehens, Denkens, Bauens und Dichtens geworden sind. Die Gedenkhöfe der Menschheit, wer sonst denn soll sie hüten, die frühen Friedhöfe der Menschheit, wenn nicht die fernen Nachkommen?
Ich lasse Henry Miller für mich reden, den Henry von 1939 für uns 70 Jahre später:




„Das Bild Griechenlands, so verblasst es auch sein mag, besteht noch immer als Archetypus des vom menschlichen Geist bewirkten Wunders. Ein ganzes Volk stieg, wie es die Spuren seiner Leistungen bezeugen, zu einem Gipfelpunkt empor, der weder vorher noch seither je wieder erreicht wurde. Es war ein Wunder, es ist es noch immer. Die Aufgabe des Genies (und der Mensch ist nichts, wenn er kein Genie ist) besteht darin, das Wunder lebendig zu halten, stets in dem Wunder zu leben, das Wunder immer wunderbarer zu gestalten, nichts und niemandem Treue zu geloben, sondern nur wundervoll zu leben, wundervoll zu denken, wundervoll zu sterben. es macht wenig aus, wie viel der Vernichtung anheim fällt, wenn nur der Keim des Wunderbaren bewahrt und genährt wird. In Epidauros steht man den unfassbaren Zeugnissen des wunderbaren Aufschwungs menschlichen Geistes gegenüber und wird von ihnen durchdrungen. Man wird davon benetzt, wie von den Spritzern einer mächtigen Woge, die sich schließlich am fernen Ufer bricht. Heutzutage konzentriert sich unsere Aufmerksamkeit auf die unerschöpflichen Reichtümer des physischen Weltalls; wir müssen alle unsere Gedanken auf diese unerschütterliche Tatsache richten, denn nie zuvor hat der Mensch in einem solchen Maße wie heute geplündert und verwüstet. Deshalb neigen wir dazu, zu vergessen, dass es im Reiche des Geistes ebenfalls eine Unerschöpflichkeit gibt, dass in jenem Reich niemals ein Gewinst verloren geht. In Epidauros wird diese Tatsache zur Gewissheit. Die Welt mag sich biegen und brechen vor Bosheit und Hass, doch hier, ganz gleich, was für einen Orkan wir mit unseren bösen Leidenschaften entfesseln, hier erstreckt sich ein Gebiet des Friedens und der Ruhe, die reine, geläuterte Erbschaft einer Vergangenheit, die nicht völlig verloren ist.
Miller, Der Koloss von Maroussi, S. 76 -84.

In jeder Hinsicht zeigte sich mir Griechenland als der wahre Mittelpunkt des Weltalls, als der ideale Treffpunkt von Mensch zu Mensch in Gegenwart Gottes…Griechenland hatte aus mir einen freien, einen ganzen Menschen gemacht. Ich war bereit, dem Drachen zu begegnen und ihn zu töten, denn in meinem Herzen hatte ich ihn schon getötet. Ich ging umher wie auf Samt, huldigte und dankte schweigend der kleinen Gruppe von Freunden, die ich in Griechenland gewonnen hatte. Ich liebe diese Menschen, alle und jeden, weil sie mir die wahren Dimensionen des Menschen enthüllt haben. Ich liebe den Boden, auf dem sie wuchsen, den Baum, dem sie entsproßten, das Licht, in welchem sie blühten, die Güte, die Redlichkeit, die Hilfsbereitschaft, die sie ausströmten. Sie brachten mich von Angesicht zu Angesicht mit mir selbst, sie reinigten mich von Hass und Eifersucht und Neid. Und nicht das Unwichtigste: sie zeigten mir durch ihr Beispiel, dass das Leben in jedem Maßstab, in jedem Klima, unter jeder Bedingung großartig gelebt werden kann. Allen, die glauben, das heutige Griechenland habe keine Bedeutung, möchte ich sagen, dass es keinen größeren Irrtum gibt. Heute wie ehedem ist Griechenland von größter Bedeutung für jeden Menschen, der sich selbst zu finden sucht, Meine Erfahrung ist nicht einzigartig, und ich möchte noch hinzufügen, dass kein Volk der Erde das, was Griechenland zu bieten hat, so dringend benötigt wie das amerikanische Volk. Griechenland ist nicht nur die Antithese Amerikas, sondern viel mehr, es ist die Erlösung von all den Übeln, die uns plagen. Wirtschaftlich mag es unbedeutend sein, aber geistig ist Griechenland noch immer die Mutter aller Völker, die Quelle der Weisheit und der Erleuchtung.
Ebd. S. 198.

Der stärkste Eindruck, den mir Griechenland hinterließ, ist wohl der, dass es eine Welt von menschlichem Format ist. Frankreich vermittelt ebenfalls diesen Eindruck, aber das ist etwas anderes; etwas tiefgehend anderes. Griechenland ist die Heimat der Götter; sie mögen gestorben sein, aber ihre Anwesenheit macht sich immer noch bemerkbar. Die Götter hatten menschliche Formen, wurden aus dem menschlichen Geist geschaffen. In Frankreich ist, wie überall im Abendland, dieses Band zwischen dem Menschlichen und dem Göttlichen gerissen. Die Skepsis und die Lähmung, die durch diese Spaltung in der Natur des Menschen entstand, erklären die unabwendbare Vernichtung unserer gegenwärtigen Kultur. Wenn die Menschen aufhören zu glauben, dass sie eines Tages Götter werden, bleiben sie für immer Würmer. Es ist viel über eine neue Lebensordnung geredet worden, die auf dem amerikanischen Kontinent entstehen soll. Man muss sich aber darüber im klaren sein, dass vorerst noch nicht einmal ein Anfang davon zu sehen ist. Die gegenwärtige Lebensweise Amerikas ist ebenso zum Untergang verdammt, wie die Europas. Kein Volk auf Erden vermag eine neue Lebensordnung zu schaffen, wenn diese nicht vom Gesichtspunkt des Universums aus entsteht. Wir haben durch bittere Irrtümer gelernt, dass alle Völker der Erde lebenswichtig miteinander verbunden sind, aber wir haben von dieser Erkenntnis keinen vernünftigen Gebrauch gemacht. Wir haben zwei Weltkriege erlebt, und wir werden zweifellos einen dritten und einen vierten, wahrscheinlich noch mehrere erleben. Es kann keine Hoffnung auf Frieden geben, wenn nicht die alte Ordnung vernichtet wird. Die Welt muss wieder klein werden, wie die alte griechische Welt – so klein, dass sie Jedermann umfasst. Wenn nicht alle Menschen bis zum letzten dazu gehören, wird es keine richtige menschliche Gesellschaft geben. Mein Verstand sagt mir, dass es lange dauern wird, bis dieser Zustand erreicht wird, aber mein Verstand sagt mir auch, dass nichts anderes den Menschen je zufrieden stellen kann. Solange der Mensch nicht voll und ganz Mensch geworden ist, solange er nicht lernt, sich wie ein Erdwesen zu benehmen, wird er weiterhin Götter schaffen, die ihn vernichten.
Ebd. S222.


300 Milliarden Euro Schulden hat der griechische Staat. Zahlen in irgendwelchen Computern, Schulden vergangener Märkte. Dafür hat das Volk der Griechen seinen Beitrag geliefert, damit genügend Nachfrage da war, in einer Zeit der produktiven Überkapazitäten, Nachfrage, in diesen Zeiten ein kostbares „Gut“: zu viel Ware, zu wenig Abnehmer für die Erzeugnisse der deutschen Exportweltmeister, darunter Panzer, U-Boote usw.

Die heute gültige Regel ist, dass innerhalb der Staaten schwache Regionen oder Wirtschaftssubjekte durch Transferleistungen gestützt werden, denn, wenn die als Konsumenten ausfallen, herrscht Krise.
Nun hat man sich noch nicht daran gewöhnt, dass, seit der Erschaffung von Hartz IV – wir alle potentielle Hartz IV-ler sind - und als solchen empfinde ich auch den Griechen in mir als transfer-berechtigte Teilperson. Ich zahle hundertmal lieber meine Mehrwertsteuer für die Schulden der Griechen, als für die Hypo-„Real“ und andere Zocker.
Es ist sogar so, dass meine Frau und ich seit Jahren „griechisch“ leben, in Muße, bescheiden: Geist, Wein und Freundschaften, lesen, reden, schweigen. Geübt, zufrieden mit Gottes Natur und ein bisschen Umsatz.
Und das neue Projekt der europäischen Eliten, viel länger in Arbeit, als die amerikanische Verfassung, das Projekt eines brüderlichen Europas, ist, soweit es sich ausdrückt in einer gemeinsamen Währung, nunmehr zum Guten gezwungen.
Der gemeinsamen Währung traten die griechischen Bauern zusammen mit den Städtern samt den bürgerlichen Eliten nachträglich der Währungsgemeinschaft, die so sehr auch Kulturgemeinschaft ist, bei.
Das folgende Horoskop zeigt den Beitritt Griechenlands in die Eurozone am 1.1.2010:
1.1.2001 0:00 OEZ, Athen
Beitritt zur Euro-Zone

Die Sache, Griechenland in der Euro-Zone, ist eine Waage: Waage aber ist der Zustand, wo das „einschalige“ Ego aufgehoben ist in einer zweischaligen Form.
Die Natur- oder Urform ist das Bündnis der Geschlechter genannt Liebe. Die astrologische Göttin der Waage in der griechischen Tradition, Aphrodite, römisch Venus, bestimmt das griechische Verhältnis zum Euro.
Venus empfängt die Quadrat-Resonanz von Saturn, das ist die maßregelnde Kargheit, aus dem Stier, der Reserven der Partner
Denn im 8. Haus sind „Stier“ nicht die eigenen Reserven, sondern die Reserven (Haus 2) der Partner.
Die Venus des griechischen Euro empfängt auch den Uranus im Wassermann im eigenen 5. Haus: das aber ist der eigene „Leichtsinn“ in der Verausgabung.
Die Saturn/Uranus/Resonanz aber bindet die Venus in eine Aufhebung bislang bestimmender Maßstäbe.
Ein schöner Schlamassel.

23.April.

Der Mars im zweiten Haus, in Resonanz zu Neptun, wirksam im fünften Haus lässt erkennen, dass es ab Anfang 2008 nur ein Thema gibt: ein Eindringen der Partner (Haus 7) und die Auflösung der eigenen Bedingungen (Fische).
Heute nun, einen Tag seit dem die Märkte den Griechen über 10% auf ihre Anleihen abverlangen, hat der griechische Ministerpräsident den Ernstfall ausgerufen: ein „Angriff“ oder Zugriffdes griechischen Staats auf die Reserven der Gemeinschaft? Es sieht so aus, Mars am Aszendenten, im Löwen, dem Zeichen der Verschwendung.
23.4.2010, 13:10 EET, Athen, während ...

heute auf der Insel Kastelorizo, der griechische Premierminister Jorgos Papandreou  die Aktivierung des Stützungsmechanismus durch die EU und den Internationalen Währungsfonds (IWF) ankündigt.

Venus, zusammen mit Pluto die Herrscherin des 4. Himmelshauses =  die heimischen Reserven, in Resonanz zu Neptun und Mond ... alles schön deutlich: Auflösung der heimischen Reserven.

Bei dem aktuellen weltweiten Wertsystem gehört meine Sympathie den Griechen, wenn auch der erste griechische Spargel geschmacklos war und die Knorr-Hollandaise nachts mit einer Gallenkolik grüßte, wofür wiederum die Griechen nichts können.

Siehe auch: Mundanes Tagebuch: "Griechendämmerung oder die Erlösung des kranken Euro".



Gespeichert: UTC 19:03, gepostet: 19:27.

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